Die Schülerzeitung des Valentin-Heider-Gymnasiums

Austausch

VHG goes USA

– Erfahrungsbericht zum Amerikaaustausch 2023/2024 –

Gelbe Schulbusse, Patriotismus, Football, Fast Food – die USA ist wohl das Land, von dem ich das umfassendste Bild hatte. Dass dieses Bild maßgeblich durch stereotype Hollywood Blockbuster und Netflix Serien geprägt worden war, ist mir bewusst gewesen, aber wie die Realität aussieht, konnte ich erst während meines Schüleraustausches gemeinsam mit 12 anderen Schüler:innen der 11. Klasse, Herrn Boxdörfer und Frau Meier, erfahren. Meine 3 Wochen im Herbst 2023 in Youngstown, New York am Niagara River, der Grenze zu Kanada, und die zwei Tage in New York City ermöglichten mir einen wertvollen Einblick in das Leben meiner Austauschpartner, in ihren Schulalltag und in die Unterschiede zwischen den USA und Deutschland. Manche Vorstellungen wurden bestätigt, manches war überraschend anders.

Meine erste typisch amerikanische Erfahrung habe ich gleich bei unserer Ankunft in Niagara Falls gemacht. Dort hat uns einer der typischen gelben Schulbusse abgeholt und zu unseren Gastfamilien gebracht. Der Schulbus war eines meiner täglichen Highlights. Jeden Morgen wurde ich genau wie die anderen Schüler direkt vor der Haustür abgeholt und mittags wieder dort abgesetzt. Unser Busfahrer hat allen beim Abschied einen schönen Tag gewünscht, kannte von jedem Kind den Namen, am Ende sogar meinen. Einmal im Monat besorgt er Pizza für die Schüler und hat seine Pizza Party extra so gelegt, dass ich sie miterleben konnte. Während meines Aufenthalts habe ich aber auch schnell gemerkt, warum Schulbusse in dieser Region unabdingbar sind, denn ohne jegliche Form von Nahverkehr und ohne Führerschein, konnten wir nirgendwo ohne unsere Gasteltern hingehen.

Genau wie der Schulbus schien auch die Lewiston-Porter High School direkt aus einem High-School-Film entsprungen zu sein. Gleich beim Betreten der Schule fällt das Schulmaskottchen der Lancers, ein Ritter mit Pferd und Lanze und die Verwendung der Schulfarbe grün auf. Die starke Identifikation mit der Schule sah man auch sofort an den Schülern, die das Maskottchen auch auf ihren Pullis und Jacken trugen. Die typischen Spinde gab es auch, denn den Schulrucksack darf man nicht mit ins Klassenzimmer nehmen. Der Schulalltag ist gleichzeitig strikter und gelassener als in Deutschland. Der Unterricht geht um einiges länger als bei uns, von 7:44 Uhr bis 14:39 Uhr und es gibt außer der Mittagspause nur 3 minütige Zwischenpausen, da in den USA die Schüler und nicht die Lehrer das Klassenzimmer wechseln müssen. Die Lehrer dekorieren daher ihr Klassenzimmer mit Motivationssprüchen, Merch ihres Lieblingsfootballteams und sogar Fotos ihrer Kinder. Die Mittagspause verbringen alle Schüler in der Cafeteria, wo auch immer ein Polizist anwesend ist. Für mich war das etwas gewöhnungsbedürftig, für die amerikanischen Schüler gehört das aber genau wie Amokalarmübungen und Drogendurchsuchungen mit Hunden zum Schulalltag.

Außer einigen Fächern, die nur jeden zweiten Tag stattfanden, war der Stundenplan jeden Tag gleich. In den USA haben die Schüler mehr Wahlmöglichkeiten über ihre Fächer. Dadurch gibt es auch keine Einteilung in Klassen und keine strikte Trennung der Stufen. So haben in einigen Fächern auch Freshmen, 9. Klässler mit Seniors, 12. Klässlern gemeinsam Unterricht. Außerdem hat meine Austauschpartnerin Fächer, die es bei uns gar nicht gibt, zum Beispiel Public Speaking oder einen Englischkurs, in dem es ausschließlich um Graphic Novels geht. Weniger streng als an unserer Schule ist zum Beispiel die Kleiderordnung. Viele Schüler gehen mit Pyjamahosen in die Schule. Außerdem schienen viele Lehrer aufgegeben zu haben, das Handyverbot durchzusetzen. Die meisten Schüler beschäftigten sich während des Unterrichts hauptsächlich mit ihrem Handy und hörten Musik.

Wir hatten das Glück, dass der Homecoming Ball gleich an unserem ersten Abend stattfand. Auf diese bekannte amerikanische Tradition hatten wir uns schon lange vor unserem Austausch gefreut. Zuerst hat uns unsere Gastmutter zum Niagara River gefahren, wo wir Fotos gemacht haben. Dann ging es weiter zur Schule. Im Schulflur gab es Fingerfood und eine Fotobox. Die eigentliche Tanzveranstaltung fand aber in der Sporthalle statt. Auch wenn der Homecoming Ball nicht ganz so aufregend war, wie wir es uns vorgestellt hatten und die Verkündung des Homecoming Kings und der Homecoming Queen nicht annähernd so dramatisch wie in Hollywood waren, sodass wir gar nicht mitbekommen haben, wer gekürt wurde, hatten wir viel Spaß. Einige Jungen aus dem Abschlussjahr haben eine Tanzperformance gezeigt, unsere Austauschpartner und ihre Freunde haben uns Partytänze beigebracht und es war die perfekte Gelegenheit, sich beim Tanzen schon mal gegenseitig kennenzulernen.

Den amerikanischen Patriotismus hatte ich zwar erwartet, trotzdem war es jedes Mal seltsam, wenn zu Beginn der ersten Stunde für den Pledge of Allegiance auf dem Smartboard ein Video der amerikanischen Flagge mit Musik der Hymne abgespielt wurde, die ganze Klasse aufstand und mit Hand auf dem Herzen zur Flagge, die wie bei uns in Bayern das Kreuz, in jedem Klassenzimmer hing. Im Anschluss liefen die Lancer News mit Witzen, Infos und einmal sogar dem Schulleiter, der einen Parkplatz an einen besonders engagierten Schüler verloste. Zwar war meine Gastfamilie nicht patriotisch, hat die USA sehr häufig kritisiert und dementsprechend auch keine Flagge besessen, an den meisten anderen Häusern hingen jedoch schon Flaggen. Auch darüber hinaus haben viele Familien ihre Überzeugungen offen in ihren Vorgärten gezeigt, meist durch Schilder, die sie in ihren Rasen gesteckt hatten. So zeigten sie ihre teils negative, teils positive Meinung über sowohl Trump als auch Biden, in welche Kirche sie gehen oder welches Footballteam sie unterstützen. Da sich Youngstown nur etwa 30 Minuten von Buffalo befindet, waren das bis auf wenige Ausnahmen die Buffalo Bills. Damit wir Austauschschüler auch mal eins ihrer Spiele sehen konnten, wurden wir alle zur Liveübertragung in die Kirche, in der mein Gastvater als Pastor arbeitet, eingeladen.

Das Essen bei meiner Gastfamilie war ähnlich wie bei mir zu Hause, also kein Fast Food. Ein großer Unterschied war jedoch die Menge an Vorräten und vor allem die Größe des Kühlschranks, der mit zwei Türen etwa doppelt so groß war, wie bei den meisten deutschen Familien. Die typisch amerikanischen Süßigkeiten, wie zum Beispiel Reese’s konnte ich an Halloween probieren, denn in den USA gehen auch Jugendliche kostümiert Trick or treating. Das eindrucksvollste an Halloween waren jedoch die Dekorationen. Viele Gärten waren mit meterhohen Skeletten dekoriert, in anderen gab es Grabsteine und Spinnen.

Der Abschied von New York war schwer, nicht nur weil diese wunderschöne Stadt noch so viel mehr zu bieten hat, als wir uns in dieser kurzen Zeit angucken konnten, sondern auch weil wir die Zeitzone unserer Austauschpartner nun endgültig verlassen mussten, mit der Gewissheit, dass wir uns möglicherweise niemals wieder sehen würden. In drei Wochen hatten wir natürlich nicht die Zeit, um beste Freunde zu werden und ausschließlich online in Kontakt zu bleiben ist schwerer als ich gedacht hätte. Trotzdem bleiben meine liebsten Erinnerungen vom Austausch die banalen Dinge, die wir mit unseren Austauschpartnern gemacht haben, wie Disney Filme schauen und Cupcakes backen. Neben allem, was wir bei unseren Ausflügen, in Museen und im Unterricht über Politik, Geschichte und Gesellschaft in New York und New York City gelernt haben, ist die wohl wichtigste Erkenntnis für mich, dass man überall Freunde finden kann.

Elisa Müller | VHG News, 23.01.2024