Die EU – was auf manche wie ein weit entferntes „politisches Konstrukt“ wirkt, hat ganz konkret mit unserem Alltag zu tun: So hat die EU beispielsweise festgelegt, dass wir innerhalb der 27 Mitgliedsstaaten auf Reisen keine Roaming-Gebühren zahlen müssen. Und auch bei uns in Lindau werden Projekte mit EU-Geldern finanziert, die Sanierung des Cavazzen auf der Lindauer Insel zum Beispiel. Es gibt viele weitere Beispiele, die zeigen, welchen Einfluss die EU auf unser Leben hat. Trotzdem wissen die meisten von uns nicht so ganz genau, wie sie sich praktisch organisiert, wie sie funktioniert und weshalb die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten oft komplex und langwierig ist.
Im Rahmen des PuG-Unterrichts der 12. Jahrgangsstufe hatten wir dieses Jahr die Chance, vieles zum Aufbau und zu den Besonderheiten der EU zu lernen – ein Thema, das vor dem Hintergrund der Trump-Administration und den damit verbundenen Konsequenzen für Europa hochaktuell ist. Der Leistungskurs „Politik und Gesellschaft“ hatte sogar die Gelegenheit, durch ein Planspiel der Europäischen Akademie Europa e.V. noch tiefer in das Themengebiet einzutauchen.
Dafür machten wir uns bereits am Sonntag, dem 16.02.2025, nachmittags mit unserer Kursleiterin Frau Prussas und Herrn Lehmann gemeinsam mit dem Zug auf den Weg in Richtung Nürnberg. Nach einer Nacht in der dortigen Jugendherberge trafen wir am nächsten Morgen auf den PuG-Leistungskurs des Scharrer-Gymnasiums, mit dem wir gemeinsam am Planspiel teilnahmen.
Das Szenario des Planspiels war eine fiktive Sitzung des Ministerrats der EU, auch Rat der EU genannt. Dieser hat seinen Sitz in Brüssel und besteht aus den Ministerinnen und Ministern der EU-Länder. Zusammen mit dem EU-Parlament und der Europäischen Kommission ist der Rat vor allem für die Gesetzgebung innerhalb der EU zuständig. Diese drei Institutionen bilden zusammen das sogenannte „Institutionendreieck“. In dieser Dreierkonstellation hat die Kommission die Aufgabe, Gesetze vorzuschlagen, der Rat der EU und das EU-Parlament stimmen dann über diese Vorschläge ab und verabschieden die Gesetze schlussendlich.
Außerdem kümmert sich der Ministerrat unter anderem um die Koordinierung der politischen Maßnahmen der EU-Länder und entwickelt auf Grundlage der Leitlinien des Europäischen Rates, einem weiteren Organ der EU, eine Außen- und Sicherheitspolitik für uns Europäer.
Ziel unserer Sitzung war es, möglichst einstimmig eine Strategie zu finden, mit der die EU-Staaten sich gemeinsam für eine stabilere politische und ökonomische Situation in Algerien einsetzen könnten. Andernfalls würden wohl viele Menschen aufgrund der Lage vor Ort die Flucht nach Europa auf sich nehmen müssen. Obwohl es sich um ein fiktives Szenario handelte, bat es die ideale Gelegenheit, sich mit den Entscheidungsmechanismen auf der EU-Ebene auseinanderzusetzen. Dabei nahmen alle teilnehmenden Schülerinnen und Schüler die Rollen unterschiedlicher Nationen ein, welche jeweils verschiedene Interessen und Standpunkte im Abstimmungsprozess vertraten. So teilte beispielsweise Griechenland die Sichtweise Frankreichs, das eine entscheidende Rolle im Planspiel übernahm, und den Anfangsimpuls gab, auf den hin die Nationen untereinander diskutierten. Ungarn und Polen waren zu Beginn wiederum gegen Frankreichs Vorschlag, Algerien finanziell zu unterstützen, um dortige Push-Faktoren abzubauen, also Faktoren, die Menschen dazu bringen, ihre Heimat zu verlassen. So gestaltete sich die Strategiefindung oft als herausfordernd.
Eine Kernerkenntnis des Planspiels war in jedem Fall, wie konfliktreich die Zusammenarbeit in der EU sich wohl manchmal gestaltet. Des Weiteren nahmen wir mit, wie komplex und auch detailliert selbst die Planung und Bewilligung einzelner Maßnahmen ist. Eine Vielzahl von Fragen müssen geklärt werden: Wie gestaltet sich beispielsweise die Finanzierung? Welche Nation kann und will wie viel Geld beisteuern? Obwohl die Diskussion um solche Teilfragen anstrengend war, hat uns das Planspiel insgesamt Spaß gemacht und wir haben uns über die Chance gefreut, einen kleinen Einblick in den Ablauf einer solchen Sitzung zu bekommen. Durch die Erfahrung konnten wir mehr Verständnis für das Geschehen in der EU aufbringen und hatten das Gefühl, dass wir hierbei etwas lernen, was wirklich wichtig ist – auch bezogen auf die Zukunft und die Herausforderungen, die in den nächsten Jahren auf die EU und damit auch auf uns zukommen werden, nicht zuletzt eben durch den Politikwechsel in den USA. Außerdem genossen wir natürlich die Gelegenheit, als Leistungskurs gemeinsam unterwegs zu sein.
Susanne Heller und Alicia Hillwig | VHG News, 07.05.2025