Die Schülerzeitung des Valentin-Heider-Gymnasiums

Alle Kriege sind nur Raubzüge

5. Januar 1647

Es ist schon lange her, dass ich das letzte Mal hier hineingeschrieben habe. Seit dem Tod meiner Anna ist mir nun mal die Lust daran verloren gegangen. Es muss inzwischen beinahe acht Jahre her sein, dass sie mir von den Schweden genommen worden ist. Seitdem verabscheue ich dieses Volk, da sie jegliches Leid der Menschen in Kauf nehmen, nur um sich an ihnen zu bereichern. Diese Barbaren ziehen schon seit mehr als fünfzehn Jahren brandschatzend und zerstörend durch das Reich. Und nun scheint es, als wäre als Nächstes Lindau dran, da uns vor wenigen Tagen die Meldung erreicht hat, dass inzwischen auch Bregenz von den Schweden erobert worden ist. Daher glaube ich, dass sie vorerst nach Lindau ziehen werden. Gottseidank sind die Befestigungsanlagen in den letzten Jahren deutlich verbessert worden und durch die Verstärkung durch die Kaiserlichen Truppen könnten wir uns womöglich gegen die Schweden beweisen. 

7. Januar 1647

Tatsächlich haben die Schweden nur wenige Tage nach meinem letzten Eintrag Stellung auf dem Festland bezogen und es scheint, als würden sie eine längere Belagerung vorbereiten. Es werden stündlich mehr Soldaten auf dem anderen Ufer und es sind schon über zehn Boote zu sehen. Vielleicht stehen unsere Chancen doch nicht so gut, wie ich es vorgestern noch gedacht habe. Allem Anschein nach müssen wir demnächst gegen ein zahlenmäßig überlegenes Heer ankämpfen. Ich finde, dass die Situation immer aussichtsloser wird. Daher habe ich auch bereits überlegt, aus der Stadt zu fliehen, um mich in Sicherheit zu bringen. Dadurch würde ich allerdings als Feigling dastehen und Schande über meine ganze Familie bringen. Außerdem ist die Zunft der Bäcker beauftragt worden, sich um die Verpflegung für die kaiserlichen Truppen zu kümmern, da diese nun stets auf ihren Posten sein sollen. Daher werden wir in den nächsten Tagen damit beginnen, die Wehranlagen zu beliefern und ich hoffe, dass ich so mehr über die Belagerung erfahren kann. Es erfüllt mich mit Stolz, die Verteidigung der Stadt zu unterstützen, auch wenn mein Beitrag dazu nur daraus besteht, Brote zu backen.

11. Januar 1647

Heute haben die Schweden die Insel vollständig abgeriegelt. Niemand kann sie mehr betreten oder verlassen. Es kommen auch keine neuen Rohstoffe mehr, um die Insel zu versorgen. Daher werden die Zutaten, die wir für die Verpflegung der Soldaten benötigen, wohl in den nächsten Tagen immer knapper werden. So mangelt es uns bereits jetzt schon an Mehl und Eiern, weshalb wir nicht wissen, wie lange wir die Armee versorgen können. Außerdem werden auch die Schießpulver-Reserven in absehbarer Zeit aufgebraucht sein, weil vor der Belagerung nicht besonders viel eingelagert worden ist. Dies wird die Verteidigung in nächster Zeit wohl erschweren. So scheint sich die Lage immer mehr zuzuspitzen, aber derzeit gilt noch eine Waffenruhe.

13. Januar 1647

Als ich gestern die erste Lieferung zur Stadtmauer brachte, unterhielt ich mich mit einem Wehrmann. Er berichtete, dass er beobachten konnte, wie die Feinde mehrere schwere Kanonen auf die Schiffe luden, um die Insel vom See aus beschießen zu können. Er war allerdings zuversichtlich, dass die Befestigungen dem standhalten werden. Außerdem beschwerte er sich über die mangelhafte Essensversorgung, was ich ihm aber auch nicht übelnehmen konnte. Schließlich haben wir gestern damit begonnen, die Lebensmittel zu rationieren, um der Belagerung so lange wie möglich standzuhalten.

16. Januar 1647

Es klang wie ein unaufhörliches Donnergrollen, was die Morgenstunden beherrschte. Die ganze Stadt war in Angst versetzt. Dauerhaft knallte es und die Erde bebte. Ich hatte bereits in der Nacht damit begonnen, die Brote für die Soldaten zu backen, während die ersten Salven auf die Insel niederregneten. Als ich die Wehranlage beliefern wollte, konnte ich zwischen den Nebelschwaden drei schwedische Boote erkennen, die im Minutentakt Schüsse abgaben. Daraufhin sprach ich mit dem Befehlshaber Waldburg-Wolfegg, der berichtete, dass es zwar in der Stadt keine größeren Schäden gebe, aber man dem Beschuss auch nichts entgegensetzen könne. Daher sagte er, dass sich die Bürger sicherheitshalber trotzdem in ihren Häusern aufhalten sollten, weshalb ich beschloss, den Rest des Tages zuhause zu bleiben, sodass ich mich direkt auf dem Heimweg begeben habe. Als ich schließlich unter einem der beiden gotischen Bögen stand, sah ich, wie eine Kanonenkugel über die Dächer der Stadt flog und wenig später in ein Gebäude einschlug. Von da an habe ich täglich gehofft, dass so etwas nicht mit meinem Haus passiert, denn es ist schon seit Generationen in Besitz der Zunft.

19. Januar 1647

Der Beschuss durch die Schweden schreitet nun schon seit mehreren Tagen voran und durch die Blockade ist die Insel völlig von der Außenwelt isoliert, sodass wir beinahe keine Nahrungsmittel mehr übrighaben. Um die Soldaten zu versorgen, bleibt uns dadurch nur noch ein Mehlsack und eine Handvoll Eier. Das wird niemals ausreichen. Daher haben ein paar mutige Bürger beschlossen, nachts mit einem Boot in die Schweiz zu fahren, um die Stadt mit dem Nötigsten zu versorgen. Ob das funktionieren wird, werden wir am nächsten Morgen sehen.

20. Januar 1647

Tatsächlich ist diese riskante Aktion gelungen, wodurch das Leben auf der Insel weitergehen kann. Dennoch hört der Kanonenlärm auch weiterhin nicht auf, weshalb es bereits die ersten Opfer zu beklagen gibt. Es waren Soldaten, die ihr Leben für die Verteidigung der Stadt gelassen haben. In der Nacht ist eine Kanonenkugel in einem Wehrturm eingeschlagen, sodass dieser zusammengebrochen ist und die Soldaten erschlagen hat.

29. Januar 1647

Es herrscht Stille, schon den ganzen Morgen. Und das zum ersten Mal seit über einer Woche für mehrere Stunden. Niemand weiß, was geschehen ist und warum es so ruhig ist. Haben sich die Schweden etwa zurückgezogen? Um das herauszufinden, machte ich mich auf den Weg zur Wehranlage. Dort waren bereits mehrere Menschen, die darauf warteten, dass man sie zurück aufs Festland lässt. Dieses Mal sprach ich mit dem Grafen Max Wunibald, der dort das Kommando hatte. Er sagte, dass es nachts drei kaiserlichen Schiffen gelungen sei, die Boote der Schweden zu zerstören. Derzeit weiß man aber noch nicht, was als Nächstes geschehen wird, sodass die Lage noch unklar ist und die Menschen daher die Insel noch nicht verlassen dürfen.

30. Januar 1647

Lärm hat die Menschen in der darauffolgenden Nacht aus dem Schlaf gerissen. Es war wieder losgegangen. Der Donner der Kanonen hallte erneut durch die engen Gassen Lindaus. Als ich morgens die Befestigung erreichte, um die Soldaten zu verpflegen, konnte ich aber keine Boote auf dem See ausfindig machen. Der Wehrmann sagte daraufhin, dass die Schweden nun damit begonnen hätten, die Insel vom Festland aus zu beschießen. So sollte die Belagerung wohl doch noch nicht zu Ende sein. Um die Stadt aber weiterhin versorgen zu können, sollten in der Nacht mehrere Boote aus der Schweiz eintreffen, da sich die Nahrungsmittel wieder dem Ende neigten.  

20. Februar 1647

An diesem Tag endete erneut der Beschuss der Schweden. Es herrschte eine ähnliche Stimmung wie vor ein paar Wochen. Niemand wusste, was passieren wird. Die Anordnungen der Befehlshaber lauteten aber auch wieder, dass wir zunächst abwarten sollen, da auch sie nicht wussten, was am anderen Ufer geschehen war.

27. Februar 1647

Heute sind schließlich auch die letzten Schweden abgezogen und wir konnten zum ersten Mal seit über einem Monat das Festland betreten. Es war ein unvorstellbares Gefühl und eine unfassbare Erleichterung, nicht mehr ständig um sein eigenes Leben bangen zu müssen. Es scheint, als könnte man demnächst wieder dem gewohnten Leben nachgehen, nachdem man die zerstörten Gebäude wieder aufgebaut hat. Aber keiner weiß so richtig, weshalb sie die Belagerung aufgegeben haben, aber man sagt sich, dass sie inzwischen die Insel Mainau erobern konnten, was in ihren Augen wohl eine bessere Stellung oder Beute darstellte. Schließlich sind Kriege doch nur Raubzüge.

 

Philipp Herbert, Q12